"Comepak"

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Thüringer VerfGH, Beschl. vom 27.09.2024 – VerfGH 36/24

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin zu 1, ein 2010 gegründetes Unternehmen in Brandenburg, veröffentlicht das “COMPACT-Magazin für Souveränität” (40.000 Exemplare monatlich) sowie weitere Publikationen und betreibt Online-Formate wie “COMPACT.DerTag” auf YouTube. Anteilseigner sind der Antragsteller zu 3 (Mehrheitsanteil) und der Antragsteller zu 5. Die 2021 gegründete Antragstellerin zu 2 produziert Filme und Videos für die Antragstellerin zu 1, insbesondere das Nachrichtenformat “COMPACT.DerTag”.

 

Am 5. Juni 2024 untersagte das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, § 17 Nr. 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG die Tätigkeit und Existenz der Antragstellerinnen 1 und 2, da sie als verfassungsfeindlich eingestuft wurden. Das BMI argumentierte, dass die Vereinigungen eine verfassungsfeindliche Grundhaltung zeigten und eine aggressiv-kämpferische Haltung gegen die verfassungsmäßige Ordnung einnähmen, indem sie ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftsbild propagierten und fremdenfeindliche sowie antisemitische Positionen verbreiteten.

 

Die Antragsteller erhoben am 24. Juli 2024 Anfechtungsklage gegen die Verbotsverfügung und forderten vorläufigen Rechtsschutz. Sie argumentierten, das Verbot ziele auf ein Totalverbot der publizistischen Verbreitung des monatlichen COMPACT-Magazin und der CONSPECT FILM GmbH ab. Es konstruiere dafür ein rechtsextremistisches Netzwerk in Form eines Vereins. Sie beriefen sich auf den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG und erklärten, dass die Anwendung des Vereinsgesetzes unzulässig sei, da die Gesetzgebungskompetenz für das Presse- und Medienrecht bei den Bundesländern liege. Würde das Vereinsgesetz in dieser Weise ausgelegt, würde die Gesetzgebungskompetenz der Länder unterlaufen. Auch die fehlende Zitierung von Art. 5 I GG in § 32 VereinsG deute darauf hin, dass eine Einschränkung der Pressefreiheit durch das Gesetz nicht beabsichtigt ist. Außerdem seien sie keine Vereine iSd § 2 I VereinsG. Jedenfalls sei der Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nicht erfüllt. Zudem halten das Verbot für unverhältnismäßig.

Entscheidung

  1. Der Antrag ist zulässig und zum Teil begründet.

In der Klausur

Der Beschluss befasst sich mit einer relevanten Sachverhaltskonstellation im Wege des Eilrechtsschutzes nach § 80 V VwGO. Es geht um eine klassische Abwägungsfrage zwischen dem Interesse der sofortigen Vollziehung und der Pressefreiheit aus Art. 5 I GG. Der Beschluss eignet sich daher besonders gut für eine Klausur.

Der Obersatz der Begründetheit bei einem Antrag nach § 80 V VwGO ist stets: Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage ist begründet, wenn aufgrund einer summarischen Prüfung das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung (nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO) formell rechtswidrig ist und/ oder eine Interessenabwägung ergibt, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners überwiegt. Dies ist insbesondere gegeben, soweit der zugrunde liegende Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist.

Bezugnehmend hierauf führt das BVerwG (wohl gemerkt im Urteilsstil) aus:

[…] Dies folgt daraus, dass nach der in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung derzeit offen sind. Die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung dennoch aufrechtzuerhalten, wäre mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nur dann vereinbar, wenn die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbundene Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin zu 1 mit hinreichend gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls zu rechtfertigen wäre. Dies ist nicht der Fall.

1.     Durch die sofortige Vollziehung des Verbotes würde die vollständige Medientätigkeit verhindert. Weil aber gerade die Medientätigkeit den Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragsteller darstellt, überwiegt das Aussetzungsinteresse und Art. 5 I GG ist besonders zu berücksichtigen.

2.     Dass das BMI anführt, dass die Medienerzeugnisse die verfassungsfeindlichen Inhalte verbreitet und genau deshalb verboten werden müsse, wird vom BVerwG nicht aufgegriffen. Vielmehr soll das Vereinsgesetz und seine Verbotstatbestände auch auf Medienunternehmen angewendet werden. Das hat besondere Auswirkung auf die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung: das VersG sieht mildere Mittel vor, zum Beispiel eine teilweise Einschränkung. Gerade hieraus ergibt sich, dass ein Totalverbot nicht uneingeschränkt standhalten muss.

3.     Dass die Inhalte des Medienhauses zwar zum Teil die Menschenwürde aus Art. 1 I GG verletzen würden und die Rhetorik in vielen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen impliziert, bestreitet das BVerwG nicht. Allerdings müsse gerade wegen der Relevanz von Art. 5 I GG die Verhältnismäßigkeit eines Totalverbotes besonders sorgfältig aufgearbeitet werden. Auch wenn es sich hierbei noch um eine „summarische“ Prüfung handelt, zeichnet sich ab, dass die Begründung des BMI für eine andere Entscheidung in der Hauptsache nicht ausreicht.

 

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